Posaune war lange mein Hauptinstrument, fast zwanzig Jahre lang habe ich es gespielt. Aber dann, im Januar diesen Jahres, nach meiner Bachelor-Abschlussprüfung in Posaune, habe ich sie in den Koffer gepackt und seit dem nie mehr herausgeholt. Ursprünglich wollte ich meine Posaune sogar verkaufen, aber meine Eltern haben mich überredet, sie noch zu behalten. Für mich ist jedoch klar, dass ich sie nie wieder spielen werde, oder zumindest nicht seriös. Am liebsten würde ich sie jetzt immer noch verkaufen. Aber warum habe ich aufgehört, und warum finden es manche schade, dass ich aufgehört habe, nur ich nicht.
Auch wenn Posaune mein „Hauptinstrument“ war, so war es lange nicht mein einziges Instrument. Mit zehn habe ich angefangen Klavier zu spielen, mit vierzehn E-Gitarre (autodidaktisch) und ein bisschen Waldhorn, und seit kurzem spiele ich ein bisschen E-Bass. Letztes Jahr habe ich sogar für ein Semester Schlagzeugunterricht genommen, quasi für umsonst. Von diesen Instrumenten haben mir Klavier und E-Gitarre schon immer am meisten Spaß gemacht, viel mehr als Posaune. Ich hätte also schon vor Jahren mit Posaune aufhören und mich mehr auf Klavier und E-Gitarre konzentrieren können, aber ich glaube ich dachte immer, dass ich das nicht sollte, dass meine Eltern dagegen wären. Ob das gestimmt hat? Keine Ahnung. Es war aber auch nicht so, dass mir Posaune keinen Spaß gemacht hat, zumindest nicht immer, denn das hat es durchaus, vor allem im Orchester oder in der Schulbigband. Auch deswegen hatte ich nie aufgehört.
Später bei meinem Musik-Abitur haben mir viele meiner Lehrer auch geraten, dass ich doch zu meinem Vorteil nutzen sollte, dass ich mehrere Instrumente spiele. Also habe ich sowohl auf der Posaune, als auch auf dem Klavier in der Prüfung vorgespielt, denn ursprünglich hatte ich vor, nur Klavier zu spielen. Irgendwann habe ich selbst geglaubt, dass dies die richtige Entscheidung war, und vielleicht war es das auch. So ging ich mit der Posaune als Hauptinstrument auch zur Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule und vielleicht war das sogar der Grund, weshalb ich es dort geschafft habe. Nach sieben Semestern Studium hatte die Posaune jedoch ihren Job erfüllt, denn im Studium brauchte ich sie nicht mehr und in Orchestern spielte ich auch nicht. Stattdessen priorisiere ich nun Klavier im Studium, was praktischerweise an meiner Hochschule durch die Wahl von Plusfächern möglich ist.
Meinem Posaunenlehrer habe ich in einer meiner letzen Unterrichtsstunden erzählt, dass ich nach der Prüfung meine Posaune „vermutlich längere Zeit“ nicht anfassen würde. Darauf reagierte er etwas überrascht und meinte, er fände es schade, gerade bei den „Fortschritten“ innerhalb des letzten Semesters. Und es stimmte, während dieser Zeit übte ich sehr viel, das aber vor allem wegen der bevorstehenden Prüfung, weil ich eine gute Note erreichen wollte, aber nicht, weil mir Posaune irgendwie wichtig war.
Auch einige meiner Kommilitonen, bei denen ich mit der Posaune in einem Ensemble mitgespielt habe, fanden es schade, dass ich aufhörte, was ich auch verstehen kann, da ihnen nun ein Posaunist fehlte. Aber ich hatte bis dahin immer das Gefühl, dass ich Posaune nur für andere spielte, um sie zufrieden zu stimmen, niemals aber nur für mich, weil es mich in irgendeiner Weise erfüllte.
Und um ganz ehrlich zu sein, jetzt, mehr als ein halbes Jahr nach der Prüfung, verspüre ich kein Bedauern, dass ich aufgehört habe. Ich vermisse nichts. Ich merke sogar kaum, dass etwas anders ist, was vielleicht auch daran liegt, dass ich lange Zeit kaum geübt habe. Trotzdem habe ich durch dieses „Opfer“ mehr Zeit, denn ich muss neben dem Üben auch nicht mehr zum Unterricht gehen, wodurch ich mehr Zeit für andere Dinge habe, die mir einfach viel wichtiger sind. Ich kann also nicht behaupten, dass ich jetzt andere Prioritäten habe als vorher, sonder ich habe jetzt einfach nur mehr Zeit, meine Prioritäten auch auszuleben und umzusetzen.
Was mich motiviert hat, heute darüber zu schreiben, war ein Moment, den ich neulich erlebt habe. Vor kurzem habe ich nämlich meinen alten Ordner mit Noten für die Posaune ausgeräumt, um ihn in einen Ordner für HelloFresh-Rezepte umzufunktionieren, und verspürte zwar vielleicht ein bisschen Reue, aber das war mehr die Musik, der ich ein bisschen nachtrauerte, als das Instrument, auf dem ich diese Musik gespielt hatte. Wenn es sein muss, kann ich diese Musik auch auf einem anderen Instrument lernen.
Schreibe einen Kommentar