Mein erster Vipassana Retreat

Mitte Juli habe ich zum ersten Mal einen Vipassana Retreat gemacht. Ich sage ganz bewusst „meinen ersten“, denn ich habe vor, irgendwann nochmal einen Retreat zu machen. In diesem Blog möchte ich euch erklären, was Vipassana überhaupt ist, von meinen Erfahrungen auf dem Retreat berichten und vor allem wie es dazu kam.

Wie kam es dazu?

Leser meines Blogs wissen vielleicht, dass ich Teil einer Online-Community bin namens Commit Circle, der Community von Niklas Steenfatt. In dieser Community hat ein anderes Mitglied 2024 einen Einführungskurs in Meditation gegeben. Da ich mich damals schon für Meditation interessiert hatte und auch zeitweise regelmäßig praktizierte, meldete ich mich zum Kurs an. Im Kurs wurden verschiedene (vor allem geführte) Meditationstechniken vorgestellt und es gab die Möglichkeit, diese auch gleich auszuprobieren und sich darüber auszutauschen. Eine dieser Techniken war Vipassana.

Ich glaube, was mich an Vipassana so reizte, war weniger die Technik an sich, sondern eher die Kurse, von denen uns erzählt wurde: zehn Tage in völliger Abgeschiedenheit. Ohne Handy, ohne ein Wort zu sagen, einfach nur da sitzen. Schon längere Zeit wollte ich mal einen richtigen Dopamin Detox machen und meine Konzentration steigern – denn das ist einer der Hauptgründe, weshalb ich Meditation praktiziere – und so ein Retreat schien mir eine willkommene Möglichkeit.

Auf der Website von Dhamma.org schaute ich seit dem immer mal wieder, wann und wo Kurse angeboten wurden, denn langfristige Planung und rechtzeitige Anmeldung war hier nötig. Im Frühling 2025 schaffte ich es dann tatsächlich, für einen Kurs im Juli angenommen zu werden, und zwar beim ersten Versuch (was, wie ich später erfahren sollte, nicht selbstverständlich zu sein scheint).

Obwohl ich die Meditationstechnik im Einführungskurs online schon einmal gemacht und bei der Anmeldung die Bedingungen und den Zeitplan des Kurses gelesen hatte, wusste ich immer noch nicht so richtig, was Vipassana überhaupt genau ist. Das änderte sich nach der Anmeldung kaum und sollte sich auch erst auf dem Retreat selbst ändern, denn ich hatte (auch aus Zeitgründen) beschlossen, mich unvoreingenommen und mit gesundem Menschenverstand auf die Sache einzulassen.

Der Retreat

Die Reise zum Retreat war lang – ungefähr acht Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln – aber, bis auf das letzte Stück, gut machbar, denn da musste ich entweder auf den Bus warten oder zu Fuß den Berg hoch … ich entschied mich für letzteres. Dort angekommen mussten die anderen Kursteilnehmer/-innen und ich nochmal ein Formular ausfüllen, dass wir bereit sind, am Kurs teilzunehmen und die vollen zehn Tage zu bleiben. Bevor wir unsere Zimmer beziehen konnten, mussten wir noch unser Handy abgeben.

Viel Gelegenheit sich gegenseitig vorzustellen gab es nicht, denn nach dem Abendessen und der ersten Meditation durften wir für die nächsten neun Tage kein Wort miteinander reden, genauso wenig über Augenkontakt oder Zeichen miteinander kommunizieren. Insgesamt sollten wir auf Dinge verzichten, die einen auf irgendeine Art und Weise ablenken, also auch auf Alkohol, Drogen und sogar auf Sport. Immerhin durften wir uns auf dem Gelände während den Pausen frei bewegen.

Der Tagesablauf

Der Zeitplan war, wenn man ihn zumindest ernst durchzog, ziemlich hart:

  • 4:00 Uhr – Morgendlicher Gong
  • 4:30 – 6:30 Uhr – Meditation in der Halle oder im eigenen Raum
  • 6:30 – 8:00 Uhr – Frühstückspause
  • 8:00 – 9:00 Uhr – Gruppenmeditation in der Halle
  • 9:00 – 11:00 Uhr – Meditation in der Halle oder im eigenen Raum (nach Anweisungen des Lehrers)
  • 11:00 – 12:00 Uhr – Mittagspause
  • 12:00 – 13:00 Uhr – Ruhezeit und Möglichkeit für Einzelgespräche mit dem Lehrer
  • 13:00 – 14:30 Uhr – Meditation in der Halle oder im eigenen Raum
  • 14:30 – 15:30 Uhr – Gruppenmeditation in der Halle
  • 15:30 – 17:00 Uhr – Meditation in der Halle oder im eigenen Raum (nach Anweisungen des Lehrers)
  • 17:00 – 18:00 Uhr – Teepause
  • 18:00 – 19:00 Uhr – Gruppenmeditation in der Halle
  • 19:00 – 20:15 Uhr – Vortrag des Lehrers in der Halle
  • 20:15 – 21:00 Uhr – Gruppenmeditation in der Halle
  • 21:00 – 21:30 Uhr – Zeit für Fragen in der Halle
  • 21:30 Uhr – Nachtruhe; Licht aus

Meine Erfahrung

Wie aus dem Zeitplan schon hervorgeht, war das Ganze kein Zuckerschlecken und der erste Tag war für mich persönlich auch der schlimmste. Mit wenig Schlaf hinter mir und ohne Frühstück zog ich mich in die Meditationshalle. Schon nach der ersten halben Stunde machten sich meine Beine bemerkbar – sie taten weh. Und die Schmerzen sollten vorerst auch nicht nachlassen.

Die Technik, die uns zuerst gelehrt wurde, nennt sich Anapana-Meditation. Dabei versucht man, sich nur auf seinen Atem zu konzentrieren, genauer, wie die Luft durch die Nase ein- und ausströmt und dabei möglichst normal weiterzuatmen. Der Zweck dieser Meditation ist es, die Konzentration zu schärfen und damit auf die eigentliche Meditationstechnik (Vipassana) vorzubereiten. Sehr simpel, aber nicht einfach umzusetzen, denn schon nach ein paar Sekunden können andere Gedanken kommen und von der Meditation ablenken.

Die Instruktionen für die Technik kamen vom Band und waren von S. N. Goenka aufgenommen, nach dessen Lehre sich der Kurs richtete. Was mich ein bisschen störte, war das sogenannte Chanting, das Goenka am Anfang und am Ende jeder Meditation auf Pali von sich gab.

Nach ein paar Stunden der Meditation stellte ich fest, dass ich, je stärker ich mich auf meinen Atem konzentrierte, die Schmerzen in den Beinen weniger spürte. Das ständige Sitzen war aber auch wegen der sehr langsam voranschreitenden Zeit sehr anstrengend und ich war immer sehr erleichtert, wenn ich nach einer Stunde wieder aufstehen konnte.

Irgendwie habe ich es dann bis zum Abend durchgehalten und wurde für mein Durchhaltevermögen auch ein bisschen belohnt. Die Vorträge, die es jeden Abend von S. N. Goenka in Videoform gab, stellten sich nämlich nicht nur als aufschlussreich, sondern auch als unterhaltsam heraus. Nach einer weiteren Dreiviertelstunde konnten wir uns endlich zu Bett begeben, aber obwohl der Tag sehr anstrengend war, konnte ich lange nicht einschlafen, was vermutlich daran lag, dass es neben Frühstück und Mittagessen, kein Abendessen gab. Es gab lediglich eine Teepause um 17 Uhr, bei der man ein paar Früchte essen konnte.

Die nächsten Tage wurden schon etwas besser. Zum einen ließen die Schmerzen in den Beinen nach, da sich mein Körper an das Sitzen zu gewöhnen schien und ich eine einigermaßen angenehme Sitzposition gefunden hatte. Zum anderen kam ich immer besser in eine Art Flow-Zustand beim Meditieren und die Sitzungen fühlten sich weniger langweilig an. Im Nachhinein muss ich aber auch zugeben, dass ich nicht immer ganz bei der Sache war, weil gerne auch an andere Dinge gedacht habe, als mich auf meinen Atem zu konzentrieren.

Ich glaube der vierte und fünfte Tag waren die besten Tage des Retreats, denn da war ich wirklich angekommen in der Meditation und am dritten oder vierten Tag wurde uns auch die eigentliche Meditationstechnik gelehrt.

Die Technik

Vipassana ist eine buddhistische Meditationstechnik, die auf Achtsamkeit und „klares Sehen der Wirklichkeit“ abzielt. Dabei geht man mit seiner Aufmerksamkeit durch den ganzen Körper und versucht, systematisch Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle zu beobachten, ohne diese zu bewerten oder auf sie zu reagieren – einfach wahrnehmen, wie die Dinge tatsächlich sind. Durch diese neutrale Beobachtung soll man die Vergänglichkeit aller Phänomene erkennen und löst sich so von Anhaftungen, was zu innerem Frieden und Befreiung von Leiden führen soll. Im Prinzip ist Vipassana also eine Gleichmutsübung.

Die meisten Empfindungen, die ich während der Meditation wahrnehmen konnte, waren zum einen Schmerz in den Beinen, aber auch Kribbeln, Wärme, Kälte, Spannungen, usw.

Wie oben erwähnt, hatte ich zunächst versucht, mich von den Schmerzen abzulenken, bwz. ihn zu ignorieren. Jetzt, da ich aber den Schmerz bewusst beobachten sollte, ging das natürlich nicht mehr. Zu meiner Überraschung war das aber kein Problem, denn indem ich den Schmerz nur beobachte, ohne ihn zu bewerten, empfand ich ihn nicht mehr als unangenehm. Der Schmerz war dadurch nicht weg, er war immer noch da, aber er störte mich auch nicht.

Ein paar Tage später hatte ich aber ein anderes „Problem“: Die Schmerzen waren quasi ganz weg. Das hatte komischerweise zur Folge, dass ich die Meditation nicht mehr ernst nehmen konnte. Also setzte ich mich während einer der Sitzungen im Schneidersitz auf einen harten Hocker. Das hat wehgetan! So saß ich für sogar für fast eine ganze Stunde oder 45 Minuten, ich weiß es nicht mehr genau, aber es hatte den gewünschten Effekt und ich konnte mich wieder auf die Meditation konzentrieren. Am nächsten Tag habe ich das Gleiche wieder versucht, aber diesmal nach einer halben Stunde aufgegeben.

Der zweitschlimmste Tag war für mich wahrscheinlich der neunte. An diesem Tag bin ich fast wahnsinnig geworden, denn ich wollte auch endlich mal wieder etwas tun und andere Leute sehen, nicht immer nur meditieren. Am Nachmittag habe ich sogar, anstatt eigenständig zu meditieren, einen Spaziergang gemacht und überlegt, was ich wohl zu Hause alles machen könnte.

Der zehnte und letzte Tag war ganz klar der schönste, denn da durften wir außerhalb der Meditationshalle wieder miteinander reden und über unsere Erfahrungen sprechen … und es gab Abendessen!

Nach dem Retreat

Im Kurs bekommt man eine ziemlich klare Empfehlung, wie es nach dem Retreat weitergehen soll: jeden Morgen und jeden Abend jeweils eine Stunde Vipassana praktizieren. Am Ende und unmittelbar nach dem Retreat war ich aber ein wenig skeptisch, was Vipassana angeht, da ich den Retreat zwar insgesamt gut, aber auch sehr anstrengend fand und mir nicht sicher war, ob ich das weiter machen soll, geschweige denn nochmal einen Retreat machen wollte. Jetzt, drei Monate danach, bin ich aber ziemlich von der Technik überzeugt und würde sehr gerne jeden Tag mindestens einmal meditieren, da ich mir durchaus etwas davon erhoffe. Es scheitert nur leider ein wenig an der Umsetzung, da ich bisher manchmal sogar für mehrere Tage oder sogar Wochen kein einziges Mal meditiert habe, so z. B. auch gestern, oder vorgestern, oder vorvorgestern …

Vielleicht werde ich schon nächstes Jahr wieder einen Retreat machen oder als Helfer dabei sein, um die Routine aufrechtzuerhalten, denn vor kurzem hat ein neues Meditationszentrum aufgemacht, das nicht ganz so weit weg ist. Genauso habe ich aber auch Hoffnung, eigenständig zurück in eine Routine zu kommen.

Am Ende bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich mit Vipassana eine gute Erfahrung gemacht habe und dass ich jedem, der/die sich dazu bereit fühlt, empfehlen kann, so einen Retreat mal auszuprobieren.

Würdest du gerne mal einen Retreat machen wollen? – Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen.

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